Es kann jedem passieren, dass sein Pferd sich weigert, durch einen großen Graben zu gehen. Dies ist eine sehr unangenehme und peinliche Situation, vor allem wenn es während einem Ausritt mit Freunden passiert, die dann gezwungenermaßen auf uns warten müssen.
Diese Situation macht häufig nicht nur uns, sondern auch das Pferd nervös, und meistens löst sich die Sache so, dass es mit einem Riesensprung über den Graben setzt und wir dabei Kopf und Kragen riskieren.
Das muss nicht sein, und der Schlüssel, um beim nächsten Ausritt nicht wieder in dieser Situation zu stecken, ist die gute und richtige Vorbereitung.
Hier in der AsvaNara Akademie legen wir sehr viel Wert auf gute Vorbereitung, und wir lehren allen Pferden, ruhig, gelassen und sicher über alle möglichen Arten von Hindernissen zu gehen.
„Einige Pferde haben Angst große Gräben zu durchqueren, und manchmal endet es in einem gewaltigen, unkontrollierten Sprung, gefährlich für Pferd und Reiter!“
Die Arbeit beginnt am Boden, mit einem natürlichen Knotenhalfter und dem 3.7 m langen Führseil, bereiten wir das Pferd durch verschiedenen Hindernissen darauf vor, was dann später im Sattel folgen wird.
Wir beginnen mit einer Serie von kleinen Hindernissen, durch die das Pferd im Schritt gehen soll. Zum Beispiel können wir dazu große, dicke Plastikplanen verwenden, oder kleine Sprünge über Holzstangen und Fässer, möglichst viele, unterschiedliche Arten von Hindernissen.
Dies hilft dem Pferd zu verstehen, dass es nicht in Panik ausbrechen muss, wenn es mal etwas Anderes unter den Füssen spürt, als es gewohnt ist. Wichtig dabei ist, die Übungen sooft zu wiederholen, bis das Pferd sie mit Ruhe und Gelassenheit angeht und meistert.
Wenn wir bei dieser Arbeit das Verhalten des Pferdes beobachten, können wir rasch feststellen, welche „Seite des Gehirns“ das Pferd grade benützt.
Ist es nervös, erschrickt sich ständig oder rennt um die Hindernisse herum, so bedeutet dies, dass es die rechte, instinktive Gehirnhälfte benutzt.
Deshalb ist es wichtig, diese Übungen so lange zu widerholen, bis das Pferd von alleine auf die linke, die rationale Gehirnhälfte überwechselt.
Dieser Wechsel ist recht einfach zu beobachten, das Pferd fängt zum Beispiel an zu kauen und sich die Lippen zu lecken. Es senkt den Kopf, schlägt die Augenlieder wieder auf und zu und entspannt die Muskeln in seinem ganzen Körper.
Zudem rennt es während den Übungen nicht mehr um, über oder durch die Hindernisse, sondern wechselt die Gangart vom Trab in den Schritt. Es wird generell ruhiger und seine Bewegungen werden flüssig und harmonisch.
Sobald diese ersten Übungen erfolgreich bestanden sind, suche ich einen kleinen Graben ohne Wasser, um weiterhin mit dem Pferd am Boden zu arbeiten. Zuerst schicke ich das Pferd von einer Seite auf die Andere, und danach lasse ich es im Graben einige Meter gehen, damit es sich an den Höhenunterschied zwischen uns gewöhnen kann.
Diese Vorgehensweise scheint anfangs etwas zu vereinfacht und realitätsfremd zu sein, dies ist aber bei Weitem nicht so. Schauen wir die Welt doch einmal aus der Sicht des Pferdes an; wenn wir einem kleinen Kind das Schwimmen beibringen möchten, so würden wir es ja (hoffentlich) nicht einfach ins Meer werfen und schauen ob es schwimmen kann, sondern wir würden es langsam ans Wasser gewöhnen.
Zuerst im Planschbecken, dann im Schwimmbad, später vielleicht in einem kleinen See und erst dann im großen Meer … genauso ist es für die Pferde, wenn wir ihnen die Angst für immer nehmen wollen.
Pferde haben einen starken Instinkt des Überlebens und des Selbstschutzes, deshalb müssen sie sich zu jeder Zeit sicher fühlen und Herausforderungen in kleinen Schritten angehen. Nur so, wenn sie in der linken Gehirnhälfte bleiben, können sie tatsächlich auch etwas Positives lernen.
Die Überlebens-Instinkte sind zwar in der Natur unbedingt notwendig und nützlich, jedoch in unserer zivilisierten Welt können sie zum Problem werden. Deshalb ist es unsere Verantwortung, den Pferden zu helfen, ihre Ängste zu überwinden und ihnen beizubringen, ruhig und gelassen alle Situationen anzugehen, die ihnen suspekt vorkommen, anstatt wie Fluchttiere zu reagieren und vor allen Gefahren wegzurennen.
Wenn es erst mal mit dem kleinen Graben geklappt hat, dann gehe ich zu einem größeren Graben hinüber, wenn möglich mit etwas fließendem Wasser darin.
Wir beginnen, das Pferd an einen Graben zu gewöhnen. Zuerst an einen kleinen Graben ohne Wasser, von einer Seite auf die andere, um danach auch einige Meter im Graben gehen. Dann gehen wir zu einem größeren, steilen Graben, eventuell mit fließendem Wasser darin. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht vor dem Pferd gehen, sondern das Pferd „schicken“.
Am langen Seil fragen wir das Pferd den Graben zu überqueren, dabei wird es die ersten Male meistens springen. Wir wiederholen die Übung auch von der anderen Seite, so kann das Pferd die Umgebung mit beiden Augen wahrnehmen, und zum Schluss wird sich das Pferd beruhigen und den Graben im Schritt oder leichten Trab überqueren.
An diesem Punkt ist es sehr wichtig, keine Eile zu haben, weder zum „in den Graben hineingehen“, noch, sollte das Pferd schon im Graben sein, zum „auf der anderen Seite hinauszugehen“. In diesem wichtigen Moment lassen wir dem Pferd die Zeit, die es braucht, um nachzudenken, am Wasser zu riechen und sich sicher zu fühlen.
Pferde brauchen diese Zeit und die Möglichkeit, sich dem Gelände und der Situation anzupassen, sich anzunähern, wenn sie mehr Vertrauen haben, und sich zurückzuziehen, wenn es ihnen zuviel wird.
Die Technik von Annäherung und Rückzug ist sehr effektiv für Fluchttiere und wir können die Pferde dabei unterstützen, in dem wir ihnen Raum und Zeit geben und sie im richtigen Moment motivieren, das Hindernis anzugehen.
Nehmen wir uns die Zeit die es braucht, somit braucht es schlussendlich weniger Zeit. Am Anfang kann es gut sein, dass Pferde sich erschrecken, unkontrolliert springen oder sonstige hektische Bewegungen machen.
Deshalb ist es in dieser Phase sehr wichtig aufzupassen, wo wir stehen, was das Pferd gerade macht und sich nicht von ihm überrennen zu lassen.
Wichtig ist auch, dass wir es veranlassen, den Graben von beiden Seiten zu überqueren. Pferde haben ein laterales Sichtfeld, und es ist wichtig, dass sie sich mit beiden Augen an das Hindernis und die Umgebung gewöhnen können. Du wirst vielleicht feststellen, dass eine Seite besser funktioniert als die andere. Mach einfach solange weiter, bis beide Seiten in etwa gleich gut gehen.
Zu dieser Übung nehme ich meistens ein langes 7-Meter Seil, je nach der Größe des Grabens. So habe ich immer genügend Spielraum und falle dabei auch nicht selbst ins Wasser.
Ich wiederhole die Überquerung einige Male, bis ich feststelle, dass das Pferd sie mit Gelassenheit, ruhig und sicher, angeht und nicht mehr darüber springt. Nur an diesem Punkt gehe ich einen Schritt weiter; und gehe im Sattel durch den Graben.
Wenn Du mit dem Pferd zum ersten Mal am Graben arbeitest, sei aufmerksam und beobachte sein Verhalten, denn es könnte sich erschrecken und in unkontrollierte Panik ausbrechen. Beobachte die Zeichen der Entspannung; ein Pferd, das zuvor nervös und angespannt ist, wird klare Zeichen geben, wenn es anfängt, sich zu beruhigen und auf seine linke Gehirnhälfte wechselt. Diese Zeichen können sein:
Wenn ich erst einmal Erfolg am Boden hatte, dann ist der nächste Schritt, den Graben im Sattel zu überqueren, nun ein „Kinderspiel“. Deshalb ist es wichtig, sich am Boden nicht zu beeilen, sondern sich die Zeit zu nehmen, die es braucht. Sollte es später wieder einmal ein ähnliches Problem im Sattel geben, so genügt es, kurz abzusteigen, das Problem am Boden zu lösen und dann weiterzureiten.
Das wichtigste Instrument, das wir als Reiter im Sattel haben, ist der Fokus. Das heißt, den Blick genau auf den Punkt zu richten, an den wir gerne hingelangen möchten und alles zu tun, was nötig ist, um auch wirklich da anzukommen. Was eben nicht funktioniert, ist dorthin zu schauen, wo wir nicht hin möchten, nämlich in den Graben und dann ins Wasser zu fallen.
Reiter und Pferde haben Verantwortungen, eine davon ist die Verantwortung des Pferdes, zu schauen, wo es seine Füße hinsetzt. Die Verantwortung des Reiters hingegen ist, zu schauen, wo wir hinreiten.
Beim Überqueren des Grabens halte ich die Zügel in beiden Händen, jedoch nicht zu kurz sondern locker. Dies ist wichtig in dieser Phase, denn das Pferd soll die Möglichkeit haben, seinen Kopf zu bewegen, um schauen zu können, wo es seine Füße hinsetzt.
Das Auge des Pferdes ist so konstruiert, dass es den Kopf heben muss, um in die Ferne zu schauen, jedoch um etwas von Nahem zu sehen, muss es den Kopf tief senken. Häufig verhindern die Reiter genau das, indem sie die Zügel zu kurz halten und dem Pferd dabei die Möglichkeit nehmen, sich das Hindernis, den Graben oder das Wasser darin, genau anzuschauen.
Ich halte die Zügel also lange genug, um dem Pferd die Möglichkeit zu geben, sich umzuschauen, und halte sie kurz genug, um die Richtung beibehalten zu können. Auch in dieser Phase lassen wir dem Pferd alle Zeit, die es braucht, um sich sicher zu fühlen. Wenn das Pferd im Graben steht und noch unsicher ist, ob es ihn überqueren will, ist dies ein guter Moment zum Streicheln und Loben.
Somit gewöhnt es sich daran, im Graben oder vielleicht sogar im Wasser zu stehen, und danach ist es einfach, das Pferd mit Schenkeldruck zum weitergehen zu motivieren. Dabei kann es sein, dass es die ersten paar Mal den Graben mit einem großen Satz überspringt. Wenn ich jedoch mit starkem Fokus dahin schaue, wo wir hinwollen, also nicht in den Graben, dann sollte dies recht einfach auch geschehen.
Wichtig dabei ist, ruhig und gelassen zu bleiben, mit entspanntem Sitz und rundem Rücken, und nicht an den Zügeln zu ziehen oder mit den Beinen zu klemmen. Dieses sind zwar unsere instinktiven Reflexe, fühlen sich aber für Pferde schrecklich an und kann sie dazu veranlassen, klaustrophobisch zu werden, sich zu erschrecken und wegzurennen.
Es ist deshalb besser, das Sattelhorn zu greifen, wenn wir in einem Westernsattel reiten, oder sich an der Mähne festzuhalten, wenn wir in einem Englischsattel sind.
Das wichtigste dabei ist, den Fokus beizubehalten, denn so halten wir uns ganz natürlich in der richtigen Körperstellung, sei’s den Graben hinunter, beim Springen oder beim Graben auf der anderen Seite hinauf.
Vielleicht wird das Pferd über das Wasser im Graben springen, deshalb müssen wir darauf vorbereitet sein, mit seiner Bewegung mit zufließen und es nicht behindern. Der Fokus bleibt immer dort, wo wir hinwollen, dies gibt uns auch beim Aufstieg die richtige Körperposition.
Wenn das Pferd den Graben erst einmal überquert hat, wiederholen wir die Übung ein paar Mal, lassen dem Pferd immer wieder eine kurze Pause, und motivieren es dann zum weitergehen. Pferde lernen durch Wiederholung; einmal ist keinmal, zweimal ist nur gut Glück, dreimal ist purer Zufall, bei vier und fünf fängt das Pferd an zu lernen.
Schon nach kurzer Zeit wirst Du merken, wie Dein Pferd sich mehr und mehr entspannt, nicht mehr über den Graben springt, sondern im Schritt Durchgeht, vielleicht sogar mittendrin im Wasser stehen bleibt und sich dabei frägt; „wovor habe ich bloß die ganze Zeit so Angst gehabt?“.
Zusammen solche Schwierigkeiten zu überwinden stärkt und festigt die Beziehung. Das Pferd gewinnt Vertrauen und Respekt, es sieht in uns das Alfa-Tier, welches es braucht, um sicher und gelassen leben zu können. Wir haben ihm bewiesen, dass wir uns um unser Pferd kümmern und schwierige Situationen zusammen gut überstehen, und dass es sich in diesen Momenten uns anvertrauen kann und ihm dabei nichts passiert.
Wenn Du die AsvaNara Methode lernst und anwendest, werden frustrierende Momente und schwierige Situationen mit Deinem Pferd bald der Vergangenheit angehören. Was früher frustrierend war, wird jetzt zu einer Herausforderung und mit Methode, Spiel und Spaß kommt der Erfolg, denn jede gemeisterte Situation stärkt und festigt die Beziehung zum Pferd.
Ich hoffe, dass Dir dieser Artikel gefallen hat und Du viele nützliche Hinweise und Tipps darin gefunden hast. Hinterlasse gerne Deinen Kommentar hier unten, ich freue mich auf Dein Feedback.
Falls Du noch Fragen zu diesem Thema hast, kontaktiere mich und ich werde Dir im Forum darauf antworten.
Ich wünsche Dir viel Erfolg, Spaß und Freude mit Deinem Pferd … und denk daran, es hat noch nie länger als zwei Tage gedauert.
Mit lieben Grüßen, Edwin